Zur fünften Zivilisierten Provokation debattierten Prof. Dr. Rita Süssmuth und Linda Teuteberg in einem lebhaften Streitgespräch über Gleichstellung in Wirtschaft und Gesellschaft – von Frauenquote bis persönlichen Erfahrungen, von Parität bis zum ordnungspolitischen Weg. Es war ein Abend mit kontroversen Ansichten und inspirierenden Diskussionen.
Am 29. Februar 2024 fand im Allianz Forum am Pariser Platz die erste Zivilisierte Provokation des Jahres statt. Mit dem Titel „Emanzipation noch lange nicht am Ziel! Ohne Parität keine Gleichstellung in Wirtschaft und Gesellschaft?” provozierte eine der bedeutendsten deutschen Vordenkerinnen und Kämpferinnen für die Gleichberechtigung der Geschlechter, Bundestagspräsidentin a.D. Frau Prof. Dr. Rita Süssmuth (CDU). Den Konterpart in der Podiumsdiskussion übernahm die FDP-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der Ludwig-Erhard-Stiftung, Linda Teuteberg. Moderiert wurde der Abend von der Wirtschaftsjournalistin Dr. Inga Michler (WELT), die souverän durch den Abend führte und Raum für eine kontroverse Debatte schuf.
Die Diskussion drehte sich um die Frage der Gleichstellung der Geschlechter – spezifische Themen des Abends waren Gleichstellungsmaßnahmen wie Parität, Frauenquote und das Ehegattensplitting wie auch persönliche Erfahrungen im Politikbetrieb. Professor Süssmuth und Frau Teuteberg stimmten in dem generellen Ziel, Gleichstellung der Geschlechter in Wirtschaft und Gesellschaft zu erreichen überein, vertraten allerdings unterschiedliche Ansichten über den ordnungspolitischen Weg dorthin. So forderte Süssmuth vehement Maßnahmen, die über eine Frauenquote hinausgehen und setzte sich für Geschlechterparität auf Parteilisten und in politischen Ämtern ein. Die 87-jährige Politikerin plädierte dabei für eine 50:50-Verteilung per Gesetz. „Ich habe damals einen Fehler gemacht. Ich habe mich auf diesen Mist mit der Quote eingelassen. Die Quote war aber eine Notwendigkeit, da sich nichts bewegte. Heute setze ich mich dafür ein, diesen Fehler zu überwinden. Ich kämpfe einfach überall direkt für Parität“, so die ehemalige Bundestagspräsidentin.
Linda Teuteberg hielt in der Frage nach dem „Wie“ dagegen, in dem sie auf die regelnde Kraft des Marktes setzte. Dabei betonte sie, dass Parteien und Unternehmen angesichts des Personalmangels keine andere Wahl hätten, als kluge Frauen zu fördern. Die 42-jährige Bundestagsabgeordnete machte deutlich, dass trotz erkennbarer Fortschritte vor allem auch noch viele strukturelle Hindernisse für Frauen bestünden, wie etwa durch einen veralteten Führungsstil. „Ich halte die Quote vom Grundsatz her schon als ein nicht sehr liberales Instrument und für gar nicht so realistisch in der Umsetzung. Ich versuche immer Frauen in meinem Wahlkreis zur Kandidatur zu ermutigen. Das ist oftmals nicht leicht und sehr mühsam, aber ich sehe es als Erfolg, wenn auch nur ein Drittel an weiblichen Kandidatinnen sich für die Kommunalwahlen aufstellen lassen“, so die ost-deutsche Politikerin. Dennoch betonte Frau Teuteberg die Notwendigkeit eines Bewusstseinswandels in der Partnerschaft, wie auch in der Wirtschaft. Auch regte sie an, dass nicht zwangsläufig der Arbeitgeber der Frau allein die Mitverantwortung und Kosten von Schutzregelungen von Familien, Schwangerschaft oder im Falle von Krankheit der Kinder tragen sollte. Es müsse für mehr Fairness gesorgt werden, für eine gleichmäßige Verteilung und weniger Nachteile in der Arbeitsbeziehung mit einer Frau. Daraufhin stellte Frau Michler die Frage wie sich Unternehmen zu verhalten haben hinsichtlich der Aufstellung der weiblichen Aufsichtsräte und Vorstandsmitglieder. Denn die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungsgremien, so Michler, wirke sich nicht immer positiv auf das Arbeitsklima eines Unternehmens aus.
Auch wenn Frau Süssmuth und Frau Teuteberg über die Maßnahmen und Wege von Parität und Gleichberechtigung stritten, waren sich beide dennoch klar einig, dass die Gleichstellung der Geschlechter ein Thema mit höchster Priorität in unserer Gesellschaft einnimmt. So endete Professor Süssmuth mit einem durchaus liberalen Appell: „Wir haben eine Tendenz alles zu regeln und überlassen den Menschen zu wenig Eigenaktivität. Wir können eine Menge besser regeln, als wenn ständig reglementiert wird. Wir haben eine solche Angst vor den handelnden Menschen […]. Ich persönlich vertraue den Menschen mehr als diesen ganzen wahnsinnigen Reglementierungen. Wir sind so bürokratisiert, dass man fast keinen Schritt mehr tun kann, ohne zu fragen: Darf ich das? Darf ich das, nicht? Wir müssen wieder dahin kommen, dass die Menschen auch den Mut haben was anzupacken!“, Prof. Rita Süssmuth
Die Zuhörerinnen und Zuhörer hatten im Anschluss an das Streitgespräch Gelegenheit, sich aktiv an der Diskussion zu beteiligen und eigene Standpunkte einzubringen. Insgesamt wurde ein inspirierender Einblick in eine ordnungspolitische Debatte rund um das Thema Gleichstellung geboten.
Hier geht’s zum Video: Zivilisierte Provokation (5): Emanzipation bei Weitem nicht am Ziel!
Bilder von der Veranstaltung: